Regierungserklärung zur Kulturpolitik des Landes Rheinland - Pfalz:

 

Ohne Veränderung keine Zukunft
Perspektiven der Kulturpolitik in Rheinland-Pfalz

- es gilt das gesprochene Wort -

Bundespräsident Theodor Heuss sagte einmal: „Mit Politik kann man keine Kultur
machen, vielleicht kann man mit Kultur Politik machen.“ Gestatten Sie mir , dass ich
hinzufüge: „Nur mit Kultur wird Politik zukunftsfähig sein.“

Auf dem Hintergrund der vielen Entscheidungen, die sich z.B. um harte Faktoren
wie der Sicherung von Arbeitsplätzen oder der Teilnahme an internationalen frie-
denserhaltenden Maßnahmen ranken, wird Kultur nur allzu oft als nettes Ornament
betrachtet, das zu nichts anderem als der eigenen Wohlbefindlichkeit nütze ist. Dies
ist falsch.

Ich sage Ihnen: Kunst und Kultur liefern den Rahmen für alle gesellschaftliche Ent-
wicklung, sie ermöglichen oft erst existenzielle Erfahrungen, verleihen Wünschen
und Ängsten Ausdruck und vermitteln  Kraft, um die konkreten Probleme des Alltags
anzugehen. 

Die Kultur einer Gesellschaft bestimmt letzten Endes, welchen Weg -  denn es sind
ja immer mehrere, die man gehen kann -  die Wirtschafts-, Rechts- oder Bildungs-
politik einschlagen.

Kultur ist die Summe aller Lebensformen, die der Mensch in der Auseinanderset-
zung mit sich und der Umwelt hervorgebracht hat. Sie umfasst die Kunst in ihren
Ausdrucksformen. Sie soll durch Kulturpolitik gefördert werden.

Sie muss die Rahmenbedingungen setzen und ist gleichzeitig abhängig von Rah-
menbedingungen, die ihr gesetzt werden. Das gilt in besonderem Maße für die
staatlichen Mittel, die zur Erfüllung dieser Aufgabe bereitgestellt werden. 

Dies ist der Hintergrund, auf dem ich Ihnen mit meiner Regierungserklärung „Ohne
Veränderung keine Zukunft - Perspektiven der Kulturpolitik in Rheinland-Pfalz“ ei-
nen Überblick geben möchte über das, was wir in der rheinland-pfälzischen Kultur-
politik bereits auf den Weg gebracht haben oder noch initiieren möchten.

In einer sich so stark und schnell verändernden Gesellschaft können  die Rezepte
von gestern nicht für die Zukunftsfähigkeit ausreichen.

Was also muss anders werden in der Kulturpolitik in Rheinland-Pfalz?

Da jede Veränderung mit dem Denken beginnt, zumindest sollte, zuerst zwei Fra-
gen:

Wo stehen wir heute?
Was sind die Wechselwirkungen zwischen neuen, zukünftigen Herausforderungen
und dem Beitrag der Kultur zu deren Bewältigung?
um dann, unter Berücksichtigung finanzieller Rahmenbedingungen zu den konkre-
ten Handlungsperspektiven für die rheinland-pfälzische Kulturpolitik zu kommen.

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A)    Wo steht nun die Kulturpolitik in Rheinland-Pfalz heute?

Es kann und soll hier kein Ort für eine vollständige Bilanz sein. Nur Beispiele, aber
ehrliche. 

1.)    Wir leben in einer Kulturlandschaft mit einem  außerordentlichen historischen
Erbe: Die großen deutschen Mythen, Nibelungen und Loreley, Konstantin, der
Kaiser des römischen Imperiums mit Sitz in Trier, Karl der Große, der Urvater
Europas, die "Schum"-Städte als mittelalterliches Zentrum des Judentums, Gu-
tenberg, der Mann des  Milleniums - Frau Feldbusch war nicht im Wettbewerb
-, um nur wenige Stichworte zu nennen.
Aber: 
Können wir all dies ausreichend pflegen?
Leben wir selbst damit?
Wuchern wir in  unserer globalisierten Welt ausreichend mit diesen zeitlosen
Schätzen?

2.)    Wir haben eine das ganze Land umspannende identitätsstiftende Bürgerinitia-
tive für Kultur in Rheinland-Pfalz, den Kultursommer. Er bringt qualitätsvolle
Kulturveranstaltungen in die Fläche des Landes direkt zu den Menschen. Der
Kultursommer ist und bleibt Kernstück der Kulturpolitik dieser Landesregie-
rung.
Denn:
Wie kann Kulturpolitik erfolgreicher sein, wenn nicht  der Abendanzug das
Maß aller Dinge ist? 
Doch: 
Wird die Finanzierung gerade der freien Kulturszene nicht immer schwieriger,
wenn institutionelle Apparate alle Spielräume für sich beanspruchen?

3.)    Wir haben eine blühende Theaterlandschaft und ein Staatstheater in Mainz,
auf das wir stolz sein können.
Aber: 
Wie erreichen wir, dass wir uns dies weiter leisten können?

4.)    Wir haben mit der Villa Musica, mit dem System der Literaturförderung, eine
Nachwuchsförderung, um die uns alle beneiden. 
Aber
gilt dies für alle Bereiche?

5.)    Das Land gibt durchschnittlich viel für Kultur aus, unsere finanziellen Anstren-
gungen im Bereich der Musik sind weit überdurchschnittlich. 
Und doch 
stoßen wir offensichtlich jeden Tag an die Grenzen der Finanzierbarkeit. 

Es sind nur Beispiele. Das Ergebnis einer vollständigen Analyse ist nicht anders, als
dieser Eindruck. Rheinland-Pfalz braucht keinen Vergleich zu scheuen. Aber, wir
müssen besser werden.


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B)    Was sind die Wechselwirkungen zwischen neuen zukünftigen Herausfor-
derungen und dem Beitrag der Kultur zu deren Bewältigung? Letztlich:
Was sind die Ziele einer zukunftsfähigen Kulturpolitik?

Globalisierung, 
Demografischer Wandel, Migration,
und Wissensgesellschaft sind mit Recht die Schlagworte, wenn wir heute über das
Morgen reden.

Wir sind in einer Epoche größter Veränderungen!

Vor diesem Hintergrund müssen Schwerpunkte von Kulturpolitik sein:
-    der Dialog zwischen Kunst und Wissenschaft,
-    die Nachwuchsförderung, sowie ohne Vernachlässigung der Breite 
-    die Förderung von Spitzenleistungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, 

wir als Menschen gestalten nicht mehr nur unsere Umwelt, sondern wir beginnen in
einer neuen Qualität, letzten Endes uns selber auch zu gestalten. Dies betrifft nicht
nur die Informations- und Kommunikations-technologien, die Gentechnologie und
die Möglichkeiten, die sich dort prinzipiell eröffnen. Wir werden bald verstehen, wie
menschliches Denken funktioniert – mit allen Möglichkeiten, uns dann selber reflek-
tierend zu betrachten und prinzipiell auch zu beeinflussen. 

Wir sind auf dem Weg vom Objekt über das Subjekt zum Projekt. 

Diese Veränderungen sind nur zu bewältigen, wenn Kunst eine andere Dimension
des Umgangs mit den großen Themen der Welt  einbringt. Eine Dimension, die über
die Rationalität und das kausale, „realistische“ Ursache-Folge-Denken hinausgeht.
In anderen Worten: Ohne die Beiträge der Kultur sind die gesellschaftlichen Umbrü-
che unserer Zeit nicht zu bewältigen. Diese Umbrüche sind letzten Endes durch die
Wissenschaften in unsere Welt gebracht worden, sodass 

1.  die Stärkung der Wechselbeziehung zwischen Kultur und Wissenschaft Ziel je-
der Kulturpolitik sein muss.

Als Nächstes bedeutet dies,
2.,    dass junge Menschen, Nachwuchskünstlerinnen und –künstler, die Förderung
der zeitgenössischen Kunst, eine besondere Bedeutung haben, weil es diese
Künstler sind, die sich mit den Fragen unserer Zeit auseinander setzen. Künst-
lerinnen und Künstler machen wie sonst niemand das Unsichtbare sichtbar
und verleihen dem Unaussprechlichen Worte. Sie helfen uns sehen, hören und
verstehen. Nur die zeitgenössische Kunst setzt sich mit den Fragen unserer
Zeit auseinander.

Die Bedeutung der Kunst in diesem Wandel bedeutet 
3., dass Kunst in ihrer ganzen Breite zu sehen ist. Nicht nur einzelne Sparten dürfen
ins Blickfeld kommen, und - ein weiteres - Kunst und Kultur haben sich dem An-
spruch zu stellen, jeden erreichen zu wollen, - gerade wenn sie so wichtig sind.
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4.      Die Globalisierung, d.h. der Qualitätssprung in der Mobilität von Waren,
Dienstleistungen  gibt der Spitzenleistung in der Kunst einen neuen Stellen-
wert. Dies gilt für die Künstler, um Interessierte zu finden, als auch für die Re-
gion, denn Kunst wird zum Wirtschaftsfaktor, als Standortfaktor oder touristi-
sche Größe – auch wenn mir bewusst ist, dass Kunst primär um ihrer selbst
willen geschaffen wird. 



C)  Dies alles soll realisiert werden vor dem finanziellen Hintergrund, den ich
eingangs geschildert habe.
Wie nun aber?

Leitlinien für die Kulturpolitik des Landes sind:
Subsidiarität, Chancengleichheit, Effizienz, Prioritätensetzung, Refinanzierung und
Hilfe zur Selbsthilfe.

1. Subsidiarität bedeutet, die flächendeckende Kulturarbeit ist kommunale Aufgabe.
Handlungsmöglichkeiten in den kommunalen Haushalten müssen geschaffen
werden.

2. Flächendeckend werden wir uns als Land, daraus folgend, nur dort stärker enga-
gieren, wo es im Sinne von Chancengleichheit um die Bildung junger Menschen
geht, so wie wir es bei den Musikschulen getan haben. Zur Erinnerung: 3 Mio.
Euro mehr für Musikschulen ab 2006; 2 Mio. Euro weniger für Orchester.

3. Unsere eigenen Institutionen sind auf Effizienz zu hinterfragen. Entsprechen z. B.
die Erwartungen, den Aufwendungen, die das Land z. B. für ein Landesmuseum
erbringt?

4.  Ein klares Bekenntnis zur Prioritätenbildung ist nötig. So kann es z.B. bei klarem
Bekenntnis zur fairen Unterstützung aller Theater und Orchester im Land jeweils
nur einen Schwerpunkt mit Blick auf die überregionalen Wettbewerbsfähigkeiten
geben. Prioritätensetzung heißt auch, wenn ein sinnvolles eigenes Programm
zur Förderung der Neuen Medien nur auf Kosten zentraler anderer Bereiche
möglich ist, dass man dann nicht so tut als ob. Wir werden uns also auf Einzel-
maßnahmen oder solche in Zusammenhang mit Nachwuchsförderung oder an-
deren Schwerpunkten beschränken.

5. Überall wo möglich, muss die Refinanzierung durch Betroffene und Interessierte
ausgebaut  und staatliche Mittelzuweisung daran gekoppelt werden. Dies ist nicht
primär staatliche Entlastung, sondern Leistungsanreiz und Ausdruck von Staats-
ferne.
Nicht Ministerialbürokratie und Minister sondern Vermittler und Bürger entschei-
den durch ihr Tun. Die stärkere Besucherorientierung der Museen war z. B. ein
erster Schritt. Dies gilt es auszubauen.

6. Schließlich gilt es die Hilfe zur Selbsthilfe, wenn es  nicht anders möglich ist, auf
Kosten der Einzelförderung auszubauen. Ein System zur Vermarktung von An-
geboten im Kunstbereich, „Vertikult“, ist so z. B. im Aufbau. Unsere Kunstmesse
muss noch mehr als bisher eine Chance für Künstler und Publikum werden.  Sind
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widerstrebende Interessen dabei nicht vereinbar, müssen die unterschiedlichen
Zielgruppen eben getrennt bedient werden.


D)    Welche konkreten Handlungsperspektiven ergeben sich nun aus diesen
grundsätzlichen Überlegungen? 

Es bieten sich drei strategische Ansatzpunkte an: 

•   Zukunftsfähigkeit durch Strukturveränderungen
•   Zukunftsfähigkeit durch neue Bündnisse und Erneuerung alter Bündnisse.
•    Zukunftsfähigkeit durch überregional wahrnehmbare Akzente in der Kultur
unseres Landes.

a)     Zuerst zu den Strukturveränderungen

1) Für die notwendigen Strukturreformen möchte ich als erstes Beispiel die
von mir eingeleitete Orchesterstrukturreform anführen. Sie hat das Ziel, die
Finanzierbarkeit der Orchester u n d ihren Qualitätsstandard langfristig zu
sichern.

Die beiden Staatsorchester Rheinische Philharmonie in Koblenz und
Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz mit Sitz in Ludwigshafen bleiben beste-
hen. Das Philharmonische Orchester in Mainz soll aus der Staatstheater
Mainz GmbH ausgegliedert und in die Trägerschaft des Landes überführt
werden.

Die im Januar diesen Jahres erzielte Übereinkunft mit der Orchesterge-
werkschaft und dem Bühnenverein, also der Arbeitgeberseite, gibt den drei
Orchestern ein höheres Maß an Planungssicherheit als zuvor. Erstmals
konnten neue Formen der Kooperation der Orchester untereinander und
über die Landesgrenzen hinaus und im Ausbau der Möglichkeiten von Teil-
zeitarbeit verabredet werden, die Experten als Durchbruch für die deutsche
Orchesterlandschaft ansehen.
Wir setzen diese Reform – und das ist mir wichtig – im Konsens mit den Be-
troffenen, tarifvertraglich abgesichert und sozialverträglich um. Ich bin zu-
versichtlich, dass wir die Reformen bald abschließen können und dass sich
aufgrund der vorgenommenen Strukturreformen auch mit niedrigeren Per-
sonalbudgets die für Mainz, Koblenz und Ludwigshafen festgelegte Zahl
von Musikerinnen und Musikern finanzieren lässt.

2) Zukunftsfähige Strukturen brauchen wir auch im Bereich der Bibliotheken. 

Das Bibliothekswesen in Rheinland-Pfalz muss sich den  Aufgaben der Zu-
kunft stellen. Deshalb entsteht aus allen betroffenen Einrichtungen das
„Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz". Diese Zusammenführung soll
den Zugang zu den weltweiten Informationsangeboten erleichtern und ihnen
unter Nutzung der modernen Informationstechnologien die Dienstleistungen
der einzelnen Einrichtungen gebündelt anbieten. Schon heute stellen alle
Bibliotheken des Landes den Bürgerinnen und Bürgern ihre Dienste direkt
im Internet zur Verfügung. Als Basis für den Einstieg dient die „Virtuelle Bib-
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liothek Rheinland-Pfalz" (VBRP), in der die Bestände der wissenschaftlichen
Bibliotheken des Landes und eines großen Teils der kommunalen Bibliothe-
ken und Büchereien nachgewiesen sind und für die Bürgerinnen und Bürger
in allen Teilen des Landes über einen Direktlieferdienst zur Verfügung ste-
hen. 

Dies kann nur ein erster Schritt sein. Die Bibliotheken müssen sich in Zu-
kunft zu Börsen des Wissenserwerbs für alle Informationsträger und für Je-
dermann entwickeln. Nur so ist gesellschaftliche Teilhabe möglich. 

3)  Ein weiteres wichtiges Anliegen der Landesregierung ist es, die rheinland-
pfälzischen Museen attraktiver zu machen. Das heißt, sie müssen einen
größeren Handlungsspielraum bekommen, flexibler werden und die Akzep-
tanz muss bei der Verteilung der Mittel berücksichtigt werden. Hierfür wur-
de ein Verteilungssystem entwickelt, wonach die Zuweisung der Finanzmit-
tel anhand einheitlicher Kriterien erfolgt. Die Kriterien orientieren sich an
der Nachfrage und bieten den Museen Anreize, durch eigene Leistungen
ihre Finanzausstattungen zu verbessern. 

Die Weiterentwicklung dieser Strukturreform soll alle landeseigenen Kultur-
einrichtungen, die sich im weitesten Sinn mit dem Kulturerbe befassen –
Museen, Denkmalpflege, Burgen-Schlösser-Altertümer, Archive, Bibliothe-
ken -  umfassen. Während wir mit dem geplanten Landesbibliothekszentrum
schon relativ weit gediehen sind, stehen wir mit dem ungleich schwierigeren
Vorhaben für alle anderen unserer Kultureinrichtungen erst am Anfang. Wir
sind in diesen Prozess gemeinsam mit den Leiterinnen und Leitern der
Dienststellen eingetreten. Es ist mir wichtig, dass wir einen solchen – mögli-
cherweise weit reichenden – Strukturwandel nicht von oben her oktroyieren,
sondern die Erfahrungen der Betroffenen nutzen, um möglichst praxisnahe
Entscheidungen treffen zu können. Wir wollen unseren Kultureinrichtungen
durch angemessene Strukturreformen wieder Handlungsspielraum eröffnen,
den sie derzeit durch die sich ständig öffnende Kluft zwischen verfügbaren
Ressourcen und adäquater Aufgabenerfüllung einzubüßen drohen. 

Übrigens: Alle unsere Kultureinrichtungen haben einen zentralen Auftrag:
Sie sollen einen nachhaltigen Beitrag zur kulturellen Bildung unseres Volkes
leisten. Dazu gehört auch, dass man sich wohl fühlt, also das Ambiente. An
nicht wenigen Stellen ist das schon gelungen. Ich lade Sie herzlich ein.

4.  Ein weiterer Ansatz für Überlegungen zu strukturellen Veränderungen ist
das, was wir im Bereich der Künstlerhäuser für die Nachwuchsförderung
tun. Wenn es uns ernst ist, dass ein besonderes Engagement für die För-
derung des Nachwuchses – und da sicher vornehmlich des rheinland-
pfälzischen Nachwuchses – geboten ist, dann muss man sich überlegen,
ob die Organisationsformen und Strukturen optimal ausgerichtet sind.

Da von den Gesamtausgaben nur etwa 15 Prozent unmittelbar bei den
Künstlerinnen und Künstlern ankommen, der Rest in Verwaltung und Ver-
anstaltungsangebote geht, werden wir einen Vorschlag erarbeiten, mit we-
niger Geld mehr jungen Künstlerinnen und Künstlern den nötigen kreativen
Freiraum zu schaffen.
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b) Nun zu den Bündnissen:

Bei dem Bemühen, den Kulturstandort Rheinland-Pfalz voranzubringen,
geht es auch um die Schaffung neuer und die Stärkung und Wiederbele-
bung von alten Bündnissen. Man kann und wird die beschriebenen Ziele
nicht erreichen, wenn man alleine ist. D.h., wir brauchen in der Kultur- und
Kunstszene Partner, die vermitteln, was wir dieser Gesellschaft zu geben
haben. 

1. ist es die neue strategische Partnerschaft zwischen  Wissenschaft,  Kunst
und  Kultur. Sie ist schwierig. Ihr Reichtum besteht aber in der Unter-
schiedlichkeit des Ansatzes – bewusst objektiv und bewusst subjektiv –
bei gleichen Voraussetzungen und Zielen.
Erfolgreich ist sie nur mit einem Höchstmaß an Fantasie und Kreativität in
dem Bestreben, mehr von dem zu verstehen, was ist und sein wird.
Einzelaktivitäten haben stattgefunden. Beispiele sind:
-   die Erweiterung der Kooperation FB Musik Mainz mit Villa Musica,
-   die Gründung des Jungen Ensembles für Studentinnen und Studen-
ten,
-   die Einbeziehung der Akademie für Bildende Künste in das Preisrich-
tergremium für die künstlerische Ausgestaltung der Hochbaumaßnah-
men des Landes,
-   die Kooperation der Akademie mit dem Landesmuseum,
-   die reflektierende Begleitung des Kultursommer-Mottos 2002 durch die
Universität Mainz.

Eine systematische Vertiefung des Dialogs muss Daueraufgabe sein. Der
Kultursommer 2005 mit dem Motto „Kultur und Wissenschaft“ könnte
neue Anstöße vermitteln.

Ein Beispiel dafür ist auch der für 2005 geplante mobile Wissenschafts-
park für Kinder und Jugendliche, der voraussichtlich erstmals zur Kultur-
sommereröffnung in Trier im Einsatz sein wird. Spielerisch soll hier dem
Nachwuchs der Zusammenhang von Sinneswahrnehmung, Naturwissen-
schaft und Kreativität nahe gebracht  werden. Wir denken, dass dieses,
mit Unterstützung der Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz (ZIRP) und der
rheinland-pfälzischen Wirtschaft entstehende Angebot, nach dem Kultur-
sommer eine attraktive Dauerausstellung in einem unserer Museen sein
könnte.

2.  müssen wir ein altes Bündnis wiederbeleben, das von Kultur und Tou-
rismus - aber in einer neuen Dimension,. 

Das Weltkulturerbe Mittelrheintal z.B. richtet sich zum einen an die Be-
wohner. Die besonderen (Lebens-) Qualitäten ihrer Heimat sollen be-
wahrt werden. Zum anderen richtet sich das Weltkulturerbe Mittelrheintal
an die Touristen, für die der Rhein Anziehungspunkt und Magnet ist. Dies
muss die wesentliche Messlatte für das Land sein. 

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Unser kulturelles Erbe, das ich bereits skizziert habe, besitzt ein großes
touristisches Potenzial. Unter dem Motto „Römer, Ritter, Romantiker“ soll
dieses Potenzial genutzt und anhand der 50 bedeutendsten Attraktionen
des Landes überregional präsentiert werden.

Der Tourismus verlangt zunehmend kulturelle Angebote. Das Land hat
auch aus diesem Grund die Gründung und den Ausbau von herausra-
genden Tanz-, Theater- und Musikprojekten von Kommunen unterstützt
und will dies fortsetzen. Beispielhaft seien die Antikenfestspiele in Trier,
die Burgfestspiele Mayen, die Moselfestwochen und das Festival Euro-
klassik in und um Zweibrücken genannt.
Aber auch hier muss der Erfolg stärker Messlatte der Unterstützung wer-
den, das ganze eingangs erwähnte überragende kulturelle Erbe des Lan-
des muss ein Werbeträger werden.

3. brauchen wir weiterhin einen Ausbau der Brücke zu allen Bürgern über
das Ehrenamt. Ehrenamtliches Engagement wird weiter gefördert wer-
den.

Im Vordergrund der Bemühungen steht hier die Aus- und Fortbildung der
ehrenamtlich im Musikbereich Tätigen und die Qualifizierung der in der
Laienmusik Aktiven. Sie kann nun in einer Landesmusikakademie mit ei-
ner zentralen Planung zielgruppenspezifisch realisiert, die Ausbildung
des musikalischen Nachwuchses kann sinnvoll koordiniert werden.

Im August 2003 konnte das „Meisterhaus“ in Neuwied-Engers als Lan-
desmusikakademie eröffnet werden. Das Meisterhaus steht nun allen
musikinteressierten Menschen unseres Landes zur musikalischen Aus-
und Fortbildung zur Verfügung. Die Kooperation zur benachbarten Kam-
mermusikakademie der Villa Musica im Schloss Engers erhält eine neue
Qualität.

Mit der Landesmusikakademie im Meisterhaus und der Akademie für
Kammermusik im Schloss Engers haben wir das musikalische Zentrum
für Breiten- und Spitzenförderung in Neuwied – also im nördlichen Rhein-
land-Pfalz – etabliert.
Durch zusätzliche Mittel für jungen Menschen werden wir den Bereich
konkurrenzfähig und attraktiv machen.

4. brauchen wir  ein weiteres Bündnis, das des Südwestrundfunks mit den
Kultur-Schaffenden. Nur so ist die nötige Qualität und überregionale Aus-
strahlung zu erreichen.

Das Land Rheinland-Pfalz, der Südwestrundfunk und verschiedene
Kommunen versuchen, ein Musikfestival in der nördlichen Region von
Rheinland-Pfalz zu realisieren. In Analogie zu den SWR-Festivals in Ba-
den-Württemberg soll sich auch im SWR-Sendegebiet Rheinland-Pfalz
ein hochkarätiges Klassik-Festival etablieren. Der Konzeptentwurf sieht
vor, die Region „UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal“ zu stärken
und hierin die angrenzenden Regionen des nördlichen Mittelrheintals,
des Lahntals und des Ahrtals einzubeziehen. 
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Wir haben das Ziel, unter einer präzisen programmatischen Eingrenzung
auf den Bereich Vokalmusik ein überregional bedeutsames Radio-
Festival in Rheinland-Pfalz anzusiedeln, das bestimmt wird von hoher
künstlerischer Qualität und Internationalität.

5. werden wir die Qualität des neuen Bündnisses zwischenSchule und Kul-
tur ausbauen.
Die vielen Aktionen, von Frau Ahnen und meinem Haus unter dem Motto
„Leselust in Rheinland-Pfalz“ ins Leben gerufen und inzwischen auch von
etlichen Bundesländern kopiert (Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen,
Sachsen ), erreichen Zehntausende von jungen Menschen. Das auch in
Englisch, Türkisch, Serbisch, Kroatisch und Russisch.

Um die schulische Leistungsfähigkeit zu verbessern und Vereinbarkeit
von Familie und Beruf zu erreichen, hat die Landesregierung einen flä-
chendeckenden Ausbau des Ganztagsschulangebotes eingeleitet. Die
Ganztagsschule bietet schon heute die Möglichkeiten, die Aktivitäten von
kulturtragenden Einrichtungen des außerschulischen Bereichs, insbe-
sondere von Musikschulen, und das Bildungsangebot von Schulen mit-
einander zu verschränken. Diese Kooperationen werden weiter ausge-
baut und nach Möglichkeit auf alle Kunstsparten ausgedehnt .

Diese Verschränkung von schulischen und außerschulischen Angeboten
ist für die Zukunft der kulturellen Bildung von großer Bedeutung. Sie stellt
auch eine Antwort dar auf die demografischen Herausforderungen. Sie
eröffnet allen Schichten den Zugang zu aktivem künstlerischem Tun,
weckt damit das vor dem Hintergrund der rasanten technologischen und
wissenschaftlichen Entwicklung so wichtige kulturelle Interesse und bietet
besonders gute Chancen, bei den durch die Migration entstehenden Pro-
zessen im beiderseitigen Nutzen Fortschritte zu erreichen. 
Nur in einer neuen Qualität der Zusammenarbeit lässt sich dies alles rea-
lisieren und finanzieren.

c) Meine Damen und Herren,
doch ohne zusätzliche Akzente zur Verbesserung der überregionalen
Wahrnehmung und dem Mut zur Prioritätensetzung werden wir der Bedeu-
tung der Kultur nicht gerecht. Es geht um unsere Visitenkarte.

-  Wir haben das Staatstheater Mainz. Das Ballett tanzt in der Bundesliga.
„Saul“ und „Celan“ haben stattgefunden, weil das Land sich der Konse-
quenzen aus der Schwerpunktsetzung bewusst war.
Die wird so bleiben, möglicherweise sogar verstärkt werden.
Dies hat Auswirkungen, es geht nicht nach dem Motto „allen wohl, nie-
mand weh“. Spitzenförderung ist nach dem Prinzip „Gießkanne“ nicht
möglich.

-   Ebenso wie beim Theater ist es auch bei den Orchestern nicht möglich,
mit allen Klangkörpern überregionale Geltung anzustreben. Es ist viel-
mehr auch hier notwendig, sich zu entscheiden. Diese Entscheidung ist,
wie Sie wissen, zu Gunsten des überregional renommiertesten Klangkör-
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pers des Landes, der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz mit Sitz in
Ludwigshafen, gefallen.  Sie war auch bei der Orchesterstrukturreform
einer der Leitgedanken.

-  Mit der Eröffnung des völlig sanierten Bahnhofs Rolandseck im Laufe die-
sen Jahres, dem Baubeginn für das Arp-Museum und seiner voraussicht-
lichen Eröffnung im Jahr 2007 erhält der Norden des Landes ein hoch att-
raktives Zentrum, das einem Klassiker der Moderne gewidmet ist.
Wir sind dann endlich auch im Bereich der Bildenden Kunst überregional
sichtbar.
Über die lange Vorgeschichte dieses ambitionierten Projektes brauche
ich heute nichts mehr zu sagen. Aber es wird Sie interessieren, dass mit
dem Partner „Stiftung Hans Arp und Sophie Täuber-Arp e.V.“ Überein-
stimmung erzielt wurde, die bislang sehr komplizierten und umständlich
zu handhabenden Strukturen zu vereinfachen und praxisnäher zu gestal-
ten. 

Aber auch einzelne kulturelle Großereignisse sind für das kulturelle Bild
eines Landes unverzichtbar.

-   Das wichtigste Ereignis soll hier in Trier stattfinden.
Das Land Rheinland-Pfalz plant für das Jahr 2007 eine Landesausstel-
lung zum Thema "Konstantin – Legenden, Lebensbilder, Kulturen" an der
Schwelle zum christlichen Europa. Konstantin I. war in der Zeit von 306
bis 337 römischer Kaiser. Er ist es gewesen, der die staats- und religi-
onspolitischen Grundlagen für das christliche Abendland gelegt hat.
Durch seine persönliche Hinwendung zum Christentum gab er den ent-
scheidenden Anstoß zur Synthese von Antike und Christentum. Damit
steht er gleichrangig zwischen Augustus, dem Begründer, und Karl dem
Großen, dem Erneuerer des Römischen Reiches. Er regierte von Trier
aus und lenkte von dort aus zeitweise das Römische Weltreich. 

Die Ausstellung wird nicht nur die historischen, kulturellen, kunsthistori-
schen, geistes- und religionsgeschichtlichen Dimensionen der Herrschaft
Konstantins aufzeigen, sondern sie ist auch als touristisches und wirt-
schaftliches Großereignis konzipiert. In ihren Wirkungskreis werden auch
die angrenzenden Nachbarländer, der Raum der römischen Provinz Bel-
gica, deren Hauptstadt Trier war, mit einbezogen. 

Die Ausstellung verfolgt zwei Ziele: Zum einen will sie eine wissenschaft-
lich anspruchsvolle Präsentation über Leben und Wirken der bedeutends-
ten Leitfigur des spätantiken Kaisertums realisieren. Zum anderen soll
damit zugleich eine Neupositionierung des Landes Rheinland-Pfalz in der
Großregion Saar-Lor-Lux-Trier-Westpfalz erfolgen. Die Konstantin-
Ausstellung soll und wird als zentrales Marketing-Instrument zur Stärkung
der touristischen Attraktivität und damit auch der Wirtschaftskraft dieser
Region eingesetzt werden.

-  Als kulturelles europäisches Großereignis wird EUROPA CANTAT in
Mainz vom 28.7. bis 6.8.2006 im Rahmen des Kultursommers stattfinden.
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Es werden zweieinhalbtausend Sängerinnen und Sänger europäischer
Spitzenensembles erwartet.

-   Bei Großereignissen darf, last but not least, die Fußball-
Weltmeisterschaft nicht fehlen.
Eine zentrale Ausstellung des Historischen Museums der Pfalz wird den
Dialog zwischen den Generationen anregen, der Kultursommer durch
Koordination für ein attraktives Begleitporgramm sorgen.

Meine Damen und Herren,
dies alles wird und kann bei uns durch die Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur unter-
stützt werden.

Der Zweck der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur war und ist die Förderung von
Kunst und Kultur im Lande Rheinland-Pfalz. Dies hat die Stiftung in den vergange-
nen zehn Jahren auf hervorragende Art und Weise getan und ist inzwischen im Hin-
blick auf ihr Stammkapital mit derzeit rund 90 Millionen Euro zur zweitgrößten Lan-
des-Kulturstiftung in Deutschland angewachsen. Seit ihrer Gründung hat die Stif-
tung rund 59 Millionen Euro zur Förderung von Kunst und Kultur ausgegeben.

Leider ist allerdings auch die Stiftung nicht ganz unabhängig von dem Wechselspiel
der Kapital- und Zinsmärkte. Seit 2002 gehen die Zinserträge entsprechend den am
Markt üblichen Zinssätzen zurück - weitaus nicht so stark wie in anderen Bundes-
ländern.

Die zu erwartende Absenkung der Stiftungserträge von ca. 6 Mio. € auf ca. 4,5 Mio.
€ macht jedoch eine Schwerpunktbildung erforderlich. Es bietet sich an, neue Auf-
gaben und Herausforderungen der Kulturpolitik in oben genanntem Sinn aus Stif-
tungsmitteln bevorzugt zu finanzieren.

Dies alles wird in den Gremien der Stiftung zu diskutieren sein, um den Auftrag und
die Zielsetzung der Stiftung unter geänderten Rahmenbedingungen erfolgreich fort-
setzen zu können. 


Meine Damen und Herren, 

vor dem Hintergrund eines tief greifenden Strukturwandels unserer Gesellschaft
habe ich Perspektiven der Kulturpolitik in Rheinland-Pfalz aufgezeigt.
Kunst und Kultur werden in unserem Land auch weiterhin eine gute Zukunft haben,
wenn wir die Augen vor notwendigen Veränderungen nicht verschließen, sondern
uns ihnen innovativ und konstruktiv stellen.
Das tun wir.