Kultur ist Standortfaktor und Wirtschaftszweig – aber auch Lebensmittel

 

Immer mehr wird es zum gesellschaftlichen Konsens: Investitionen in unsere Kulturlandschaft sind für alle lohnend! Für die Künstler, für die Bürgerinnen und Bürger und für eine nachhaltige Regionalentwicklung. Kultur ist überall in Rheinland-Pfalz ein starker Standortfaktor.

 

Diese Erkenntnis setzt sich immer mehr durch. Dies führt jedoch auch dazu, dass Kultur auch als Mittel zum Zweck und nicht nur als Selbstzweck angesehen wird: Kultur als Kreativitätsfaktor, als Imagegewinn, als Lebens- oder Überlebensmittel und eben als Standortfaktor für die Wirtschaft. Oder anders gesagt: Manchmal ging es mehr um „Kultur für alles“ als um „Kultur für alle“.

 

Solche inhaltlichen Defizite waren Ergebnis einer sowohl sozial wie wirtschaftlich motivierten neuen Kulturpolitik. Gleichwohl war diese neue Kulturpolitik seit Beginn der 90er Jahre in Rheinland-Pfalz und auch im Westerwald als meiner kulturellen Heimat erfolgreich. Nicht nur im Umfeld des jährlichen landesweiten Kultursommers, auch die Entwicklung der Museums- und Theaterlandschaft, die Vielfalt und Vielzahl teilweise hochklassiger kultureller Ereignisse bis in den hintersten Zipfel unseres Bundeslandes ist Beleg für das erfolgreiche Motto „Kultur für alle“.  Sogar die Soziokultur konnte da in vielen Bereichen von Pfalz bis Westerwald mithalten.

 

Neben der grundsätzlichen Reflexion über die Bedeutung der Kultur in Stadt und Land, gibt es weitere handfeste neue Impulse. Zum Beispiel durch das weite Feld der „Interkulturellen Kulturarbeit“, die als kulturpolitische Aufgabe vor dem Hintergrund des großen Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund eine wichtige Herausforderung darstellt. Oder die „Kulturelle Bildung“ die auf vielen Ebenen vom Kindergarten über die Schule bis zur Jugendarbeit weiter gestärkt werden muss.

 

Zu fragen ist, ob die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise, die damit verbundene Erkenntnis in die Mängel eines rein ökonomischen Denkens, den Möglichkeiten der Kultur nützen kann. Wir können es nur hoffen! Nicht Hoffnung sondern Tatsache ist, dass Kunst und Kultur als weicher Standortfaktor immer mehr an Bedeutung gewinnen. Neben Mobilität und Bildungsangebot geht es da um den Bereich Wellness und Wohlgefühl, der am besten mit dem Begriff Lebensqualität umschrieben wird. Diese ist bei vielen Menschen ohne ein vielseitiges und niveauvolles Kulturangebot unterentwickelt.

 

Da zukunftsfähige Unternehmen immer mehr auf qualifizierte Facharbeitskräfte angewiesen sind, meiden sie solche „unterentwickelten“ Regionen für geplante Ansiedlungen oder Erweiterungen. Kultur wird folglich vom „weichen“ immer mehr zum „harten“ Standortfaktor. Sie trägt dazu bei, die eigenen Mitarbeiter zu motivieren und qualifizierte Leute am Standort zu halten oder anzuwerben. Eine Studie des DIHK dient als fachlicher Beleg dafür.

 

Da sind Regionalentwicklung und Kommunen gleichermaßen gefragt. Klar, vielen Städten und Gemeinden fehlt zunehmend der finanzielle Spielraum um das eigene kulturelle Leben auf hohem Niveau konkurrenzfähig zu gestalten. Da dies aber auch der Wirtschaft in hohem Maße nutzt, darf sie sich nicht ihrer Verantwortung entziehen, notwendige Kulturinvestitonen und Aktionen mit privaten Mitteln zu fördern oder zumindest die positiven Wirkungen von Kunst und Kultur als Werbepartner zu nutzen.  Mit Theater, Musik, Kabarett oder einem Museum kann man überall imagefördernde Zeichen setzen!

 

Aber Kultur ist nicht nur für das Wohlgefühl der Menschen und den Nutzen der Wirtschaft da. Der Kultur- und Kreativbereich selbst wird zu einem immer bedeutenderen Wirtschaftszweig in unserem Bundesland. So wurde gemäß einer Enquete-Studie des Bundes 2006 in Rheinland-Pfalz vom Konzert bis zum Museumsshop ein Umsatz von insgesamt 3,3 Mrd. € erzielt. Dem stehen öffentliche Kulturausgaben von 222 Mio € gegenüber. Beachtlich auch die durch diesen Bereich beispielsweise in Tourismus, Handwerk, Architektur und Logistik ausgelösten Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte. Nicht ohne Wirkung bleiben da auch regionale Großveranstaltungen wie Musikfestivals oder Kunstausstellungen. Großinvestitionen von Land und Kommunen wie die Rekonstruktion des Limes oder die Sanierung von Museen sind nicht  nur imagefördernd für die Region, sondern auch  beschäftigungswirksam. Und nicht zuletzt sind in der rheinland-pfälzischen Kultur- und Kreativwirtschaft 30.730 Personen beschäftigt, immerhin ein Anteil von 3,68 Prozent der Gesamtbeschäftigten.

 

Der Westerwald ist nicht mehr nur die Region von Ton und Basalt, Rheinland-Pfalz nicht mehr nur des Land von Wein und Reben, sondern auch  von hochwertiger Kunst und Kultur! Zum Vorteil für Menschen und Wirtschaft der Region!

 

 

Uli Schmidt

 

Seit 20 Jahren Vorsitzender der Kleinkunstbühne Mons Tabor e.V. und Mitglied der Kulturpolitischen Gesellschaft Deutschland, außerdem Kreisbeigeordneter des Westerwaldkreises und Ortsbürgermeister seiner Heimatgemeinde Horbach in der VG Montabaur